Huangana: Die Großzügigkeit des Waldes

 
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Waorani können eine Rotte „Huangana“ – oder Weißbartpekari – riechen, bevor die Tiere überhaupt aufgetaucht sind, und selbst wenn sie bereits vorbei gezogen sind. Huangana bewegen sich in großen Rotten, manchmal mit bis zu 80 oder 100 Tieren. Für die jagenden Kulturen des Amazonas verkörpern die Huangana die Großzügigkeit des Waldes. Ein erwachsenes Huangana kann eine ganze Familie für mehrere Tage mit Nahrung versorgen. Geschickte Jäger sind oft in der Lage mehrere Huangana zu töten, obwohl die Tradition vorschreibt, dass das Gleichgewicht des Lebens im Wald gewahrt werden muss, und dass Jäger nur so viele Tiere töten sollten wie sie wirklich brauchen.

Wenn eine Rotte Huangana vorüber zieht, schafft sie einen Moment der schieren Aufregung: der Geruch der Tiere, das Geräusch ihrer Hufe, die im Unterholz rascheln, ihre Rüssel, die den Boden durchpflügen, ihre Zähne, die herzhaft in wilde Kokosnüsse beißen und sie zerbrechen. Die Waorani ergreifen ihre Gewehre und Speere und sprinten in den Wald, hinter ihrer Beute her.

Ich war in der Gemeinde Yawepare, als eine Rotte von ungefähr 80 Huangana die Ölstraße von einem Teil des Waldes in einen anderen überquerte. Zwei Waorani, Ocata und Rafael, ergriffen ihre Gewehre und verfolgten sie in den Wald. Sie töteten zwei und fingen ein Ferkel. Sie hätten mehr geschossen, hatten aber nur zwei Kugeln. Wegen des Verbotes durch die Regierung sind Kugeln im ecuadorianischen Westen nur schwer aufzutreiben, zudem sind sie sehr teuer.

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Das Foto oben zeigt Rafaels Frau, Obe, wie sie ein ausgewachsenes Huangana-Männchen aus dem Wald und bergauf entlang einer schlammigen Ölstraße trägt. In der Kultur der Waorani trägt ein Jäger nie das Tier, das er getötet hat. Diese Tradition überlässt einen Großteil des Schleppens den zähen Waorani-Frauen. Obe wiegt mit einer Hand sanft ihr Baby, während sie das schwere Pekari über ihre Schulter geworfen hat.

Im traditionellen Langhaus um ein Feuer sitzend, teilten wir uns ein Essen aus Huangana- Fleisch, gekochten Bananen und Yucca, ausgebreitet auf Bananenblättern auf dem Boden. Plaudernd und lachend griff jeder glücklich zu und zog dampfende Stücke des Fleisches heraus. Für die Waorani ist das ein Teil des guten Lebens: reichlich Nahrung, Familie, ein schönes Feuer und ein gut gebautes Dach, das den Regen draußen hält.

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Nach dem Abendessen bemerkte ich, dass Ocatas kleine Enkelin Kireya etwas außerhalb der Gruppe saß, mit dem Huangana-Ferkel im Schoß. Sie schaute auf das Baby herab, wie eine Mutter ihr Kind ansehen würde, und streichelte seinen Kopf während es schlief. Seine Mutter war getötet worden; jetzt würde Kireya das Baby aufziehen.

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Englischer Original Post: Alex Goff, Amazon Frontlines
Bilder: Mitch Anderson und Alex Goff
Übersetzung: Julia und Fabio Bär

 
Alex Goff